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Die alleinige Retropatellararthrose ohne arthrotische Veränderungen auch im Patellofemoral- und/oder Tibiofemoralgelenk kann nicht als Versicherungsfall wie eine Berufskrankheit festgestellt werden.

Datum: 18.12.2008

Kurzbeschreibung: 

Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Anlage zur Berufskrank­heitenverordnung (BKV) verzeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit (BK) als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung als Listenerkrankung erfüllt sind. Das Gesetz bestimmt als Voraussetzung für die Bezeichnung von Krankheiten als BK in der BKV, dass diese nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse müssen sich zu einer sogenannten BK-Reife verdichtet haben. Diese Voraussetzungen liegen seit Oktober 2005 in Bezug auf eine Kniegelenks­arthrose durch eine berufliche Tätigkeit im Knien oder vergleichbarer Kniebelastung vor. In dem von der 1. Kammer des Sozialgerichts Karlsruhe zu entscheidenden Rechtsstreit hatte der Kläger zwar die maßgebenden arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt. Sein Feststellungs­begehren scheiterte aber daran, dass die bei ihm nachgewiesene alleinige Retropatellar­arthrose bds. nicht mit Wahrscheinlichkeit durch die langjährige Tätigkeit als Fliesen- bzw. Estrichleger verursacht war. Denn nach medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen kommt es bei Arbeiten in der Hocke und im Fersensitz zu einer vermehrten Druckbelastung der hinteren Anteile des Kniegelenks, mithin vorwiegend des Innenmeniscus- und Außenmeniscushinterhorns sowie der entsprechenden Knorpelanteile von Schienbein und Oberschenkel. Wollte man eine kniende Tätigkeit als wesentliche Ursache für die Entstehung der retropatellaren Arthrose ansehen, müsste deshalb aus biologischen Gründen auch die femorale Gleitfläche des Patellofemoralgelenks in gleichem Ausmaß von degenerativen Veränderungen betroffen sein wie die eigentliche Kniescheibenrückfläche. Außerdem ist es bisher wissenschaftlich nicht belegt, dass in endgradiger Kniebeuge die Kniescheibe einer vermehrten Druckbelastung des femuropatellaren Knorpels zwischen den Rollhügeln unterliegt. Denn in stabiler Knieposition wird nicht auf der Kniescheibe selbst gekniet. Aufgrund biomechanischer Überlegungen kann es durch äußere Einwirkungen zu einer Arthrose des Kniegelenks vielmehr nur dann kommen, wenn durch die von außen aufgezwungene Haltung der Kniegelenke entsprechende Areale der Kniegelenke unter Druckbelastung geraten. Im Fall der Hocke oder des Fersensitzes sind dies die hinteren Anteile des Kniegelenkes, im Fall des Kniens die vorderen Anteile bzw. die patellofemoralen Anteile des Kniegelenks. Bei einem ursächlichen Zusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und einer Kniegelenksarthrose ist deshalb auch zu erwarten, dass sowohl das patellofemorale Kompartiment als auch die hinteren Anteile der tibiofemoralen Kompartimente betroffen sind. Dies war bei dem Kläger, der zudem an einer angeborenen beidseitigen Fehlstellung der Kniescheiben mit Subluxationshochstand rechts leidet, jedoch nicht der Fall. Mit dieser Begründung hat das Gericht das Feststellungsbegehren des Klägers abgewiesen (Urteil vom 18.12.2008 - S 1 U 5814/07 -).

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