Diese Website verwendet Cookies. Weitere Informationen erhalten Sie unter Datenschutz.
Ein Abänderungsantrag der Grundsicherungsbehörde - hier: Jobcenter - gegen eine vom Gericht zugesprochene und rechtskräftig gewordene einstweilige Anordnung ist statthaft. Ein solcher Änderungsantrag hat aber in der Sache nur Erfolg, wenn eine geänderte Sach- oder Rechtslage eingetreten ist oder sich der Antragsteller sich auf ohne Verschulden nicht früher geltend gemachte Gründe berufen kann.
Datum: 05.03.2012
Kurzbeschreibung:
Das Jobcenter beantragt im Februar 2012 die Abänderung einer einstweiligen Anordnung vom 29. November 2011, mit der es vom Sozialgericht rechtskräftig verpflichtet worden war, der Antragsgegnerin, einer 42 Jahre alten, an einer Zwangserkrankung leidenden Frau, vorläufig von November 2011 bis einschließlich Mai 2012 Arbeitslosengeld II in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Zur Begründung führt das Jobcenter aus: Die Antragsgegnerin habe am 3. Januar 2012 erneut einen Termin zur ambulanten arbeitsärztlichen Untersuchung unentschuldigt nicht wahrgenommen; deshalb sei eine neue Sachlage eingetreten, die eine Leistungsversagung mangels zumutbarer Mitwirkung rechtfertige. Das von der Antragsgegnerin vorgelegte ärztliche Attest einer Internistin vom 30. Dezember 2011 sei am 3. Januar 2012 bereits zeitlich überholt gewesen und lasse nicht erkennen, dass es der Antragsgegnerin unzumutbar gewesen sei, den arbeitsärztlichen Termin wahrzunehmen.
Das Sozialgericht hat den Abänderungsantrag des Jobcenters mit folgender Begründung abgelehnt: Der Antrag sei zwar statthaft. Eine Abänderungsbefugnis bestehe aber regelmäßig nur dann, wenn eine geänderte Sach- und Rechtslage eingetreten sei oder wenn der Beteiligte sich auf ohne Verschulden nicht früher geltend gemachte Gründe berufen könne. Beides sie vorliegend nicht erkennbar. Die Antragsgegnerin habe ihr Fernbleiben zur arbeitsärztlichen Untersuchung durch ein aktuell ausgestelltes ärztliches Attest hinreichend entschuldigt. Danach leide die Antragsgegnerin an Ängsten und Phobien, die die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und das Betreten öffentlicher Gebäude gegenwärtig ausschlössen; eine psychiatrische Mitbehandlung sei eingeleitet. Aufgrund dieser Sachlage, die im Übrigen an eine ältere Sachlage - den ab April 2007 dreijährigen Rentenbezug der Antragsgegnerin infolge Zwangserkrankung - nachvollziehbar anknüpfe, hätte das Jobcenter aus dem Fernbleiben der Antragsgegnerin zum ambulanten Untersuchungstermin bei seinem arbeitsärztlichen Dienst am 3. Januar 2012 keine für sie negativen Schlüsse ziehen dürfen.
Vielmehr habe das Jobcenter alles Erforderliche und Mögliche zu tun, um Gesundheitsgefährdungen der Antragsgegnerin zu minimieren. Dazu hätte es ihm im Rahmen seiner Pflicht zur Sachverhaltsfeststellung von Amts wegen oblegen, entweder zunächst nähere Auskünfte bei der behandelnden Internistin (Befunde, Namen und Anschrift des oder der mit behandelnden Psychiaters/in etc.) einzuholen und/oder die Antragsgegnerin bei sich zuhause durch einen Psychiater ambulant untersuchen zu lassen. Erst wenn sich die Antragsgegnerin weigere, ihre behandelnden Ärzte gegenüber dem Jobcenter von der Schweigepflicht zu entbinden, oder sie einen Psychiater auch nach Terminankündigung nicht in ihre Wohnung lasse, wäre eine Leistungsversagung wegen verweigerter zumutbarer Mitwirkungshandlung zu erwägen. All dies werde das Jobcenter jetzt unverzüglich nachzuholen haben.
Das Jobcenter sei deshalb zur Vermeidung vollstreckungsrechtlicher Folgen dringend gehalten, die Zahlung des Arbeitslosengeld II zugunsten der Antragsgegnerin entsprechend den Maßgaben im Beschluss des Gerichts vom 29. November 2011 umgehend wieder aufzunehmen und außerdem für den Monat Februar 2012 das Arbeitslosengeld II nachzuzahlen. Beschluss vom 5. März 2012, nicht rechtskräftig, S 4 AS 491/12 ER.