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Ein Halbwaise, der noch telefonischen Kontakt zu seinem in Syrien lebenden Elternteil unterhält, hat in der Regel keinen Anspruch auf sozialrechtliches Kindergeld.

Datum: 15.04.2020

Kurzbeschreibung:    

Der 1998 geborene syrische Kläger begehrt Kindergeld für einen Erwachsenen nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG). Sein Vater ist verstorben. Zu seiner noch in Syrien lebenden Mutter unterhält er monatlich in unregelmäßigen Abständen Mobilfunkkontakt. Sowohl er als auch sie würden jedoch aus Furcht vor staatlichen Repressalien vermeiden, mitzuteilen, wo sie sich jeweils aufhalten würden. Da seine Mutter ihm mitgeteilt habe, dass sie in den letzten Jahren mehrmals ausgebombt worden sei, wisse er, dass sich seine Mutter im Großraum Damaskus, einem Bürgerkriegsgebiet, aufhalte. Der konkrete Aufenthaltsort sei ihm jedoch unbekannt. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, da der Kläger bei bestehendem Mobilfunkkontakt jederzeit und zumutbar den konkreten Aufenthaltsort seiner Mutter zu erfragen. 

Die Klage vor der 9. Kammer des Sozialgerichts war als unbegründet abzuweisen.

Mit der gesetzlichen Regelung sei kein Anspruch auf Kindergeld für sich selbst für den Fall geschaffen worden, dass die Eltern aufgrund eines ständigen Auslandsaufenthaltes keinen Kindergeldanspruch haben oder dem Kind keinen Unterhalt leisten können. Vielmehr sollten nur die Kinder erfasst werden, die mangels Kontaktdaten nicht wissen, wo ihre Eltern sich aufhalten und letztlich nicht wissen können, ob sie noch am Leben sind und jemals die Elternstelle wieder einnehmen können. Dementsprechend könne nur eine missbräuchliche Nichtkenntnis vom Aufenthaltsort einer positiven Kenntnis gleichgestellt werden. Allein der Umstand, dass sich die Eltern im Ausland aufhalten, ohne dass eine konkrete Adresse bekannt ist, die aber bei bestehenden Telefonkontakt durchaus erfragt werden könnte, sei mit der Unkenntnis des Kindes vom Aufenthalt seiner Eltern bzw. des überlebenden Elternteils im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BKGG nicht gleichzusetzen. Ein Sich-Verschließen vor der positiven Kenntnis des Aufenthaltsortes der Eltern ist nur dann nicht missbräuchlich, wenn das Kind oder die Eltern durch einen Versuch, den Aufenthaltsort zu bestimmen, einer konkreten Lebensgefährdung ausgesetzt werden würde. Dies war im Fall des Klägers zu verneinen, der im Übrigen auch den Aufenthalt seiner Mutter gekannt habe. Denn mit der Kenntnis des Aufenthaltes sei nicht gemeint, dass das Kind eine feste postalische Anschrift kenne.

Urteil vom 29.10.2019 (rechtskräftig), Az.: S 9 KG 430/19

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