Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 12. Kammer des Sozialgerichts Karlsruhe dem Eilantrag eines Arbeitsuchenden auf Gewährung eines im Epidemie-bedingten Einzelfall unabweisbaren Hygienebedarfs an FFP2-Masken bis zum Sommeranfang am 21.06.2021 stattgegeben.
Die Kammer meint, ein besonderer Mehrbedarf an wöchentlich 20 FFP2-Masken sei glaubhaft gemacht. Ohne Mund-Nasen-Bedeckungen dieses
Standards seien Empfänger:innen von Grundsicherungsleistungen in ihrem Grundrecht auf sozialen Teilhabe in
unverhältnismäßiger Weise beschränkt. Nach drei Monaten Lockdown müssten Arbeitsuchende wieder am
Gemeinschaftsleben in einer dem sozialen Existenzminimum entsprechenden Art und Weise teilnehmen können.
Auf Alltagsmasken oder OP-Masken müssten sie sich nicht verweisen lassen. Diese seien für den Infektionsschutz vor
SARS-Cov-2-haltigen Aerosolen in der Straßenbahn, im Supermarkt, im Treppenhaus, im Wartezimmer, in der Leichenhalle, etc. –
auch angesichts der Virusvarianten – nicht gut genug geeignet. Wer bei der Verrichtung alltäglicher Erledigungen trotzdem
lediglich eine OP-Maske gebrauche und einen Mitmenschen mit dem lebensgefährlichen Virus anstecke, schädige eine andere Person an
der Gesundheit und verstoße gegen das gesetzliche Verbot gefährlicher Körperverletzungen. Dieses verbotswidrige Verhalten
sei auch nicht allein deswegen außerhalb von Krankenhäusern oder Pflegeheimen erlaubt, weil die CoronaVO FFP2-Masken lediglich
dort vorschreibe und andernorts OP-Masken genügen lasse.
Die Anerkennung individueller Mehrbedarfe an FFP2-Masken diene nicht nur der Befriedigung privater Bedürfnisse. Sie bezwecke den
Infektionsschutz der Allgemeinheit vor einer weiteren Verbreitung des Virus. Zur effektiven Abwehr dieser gesteigerten Ansteckungsgefahr
müsse die Mehrbedarfsgewährung wöchentlich 20 FFP2-Masken umfassen. Dem Infektionsschutz werde ein Bärendienst
erwiesen, falls nicht mindestens täglich eine neue Maske sowie durchschnittlich ca. zwei weitere neue Ersatz-FFP2-Masken
bereitgestellt würden. Es sei davon auszugehen, dass wenige Personen bereit und fähig seien, fortlaufend zuverlässig die
sehr hohen Sorgfaltsanforderungen an die private Wiederverwendung von FFP2-Masken zu erfüllen. Diese seien zum Einmalgebrauch für
geschultes Medizinpersonal konstruiert. Ohne die Beachtung der zum Trocknen notwendigen Hygiene-Routinen würden ggfs. über
mehrere Tage und Wochen hinweg für den Infektionsschutz ungeeignete oder sogar virushaltige Masken getragen. Diese erweckten nur den
falschen Anschein des Infektionsschutzes. Der massenhaft irreführende Anschein der Verwendung pandemie-adäquater FFP2-Masken
wäre aber dem Infektionsschutz nicht zu-, sondern abträglich.
Der Kammerbeschluss (SG Karlsruhe vom 11.02.2021, Az. S 12 AS 213/21 ER, www.sozialgerichtsbarkeit.de) ist rechtskräftig.
Nach der online verfügbaren Statistik der Bundesagentur für Arbeit gab es bundesweit im Januar 2021 insgesamt 5.351.000
Empfänger:innen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).