Scheinselbständiger ist unfallversichert; Verpflichtung der Berufsgenossenschaft zur Anerkennung eines Arbeitsunfalls
Das Sozialgericht Karlsruhe hat eine Berufsgenossenschaft (BG) verurteilt, einen Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Der Kläger war in einem Betrieb, in dem er als Maschinenbediener beschäftigt war, an einem Samstag bei Reinigungsarbeiten aus 2,5 Meter Höhe von einer Leiter gefallen und hatte sich beide Füße gebrochen. Er ist seitdem arbeitsunfähig.
Die Besonderheit des Falles besteht darin, dass der Kläger zugleich ein Kleingewerbe angemeldet und dem Betrieb, in dem er beschäftigt war, für die Arbeit am Samstag Rechnungen gestellt hatte.
Der Arbeitgeber stellte keine Unfallanzeige, sondern gab gegenüber der für seinen Betrieb zuständigen Berufsgenossenschaft an, der Kläger sei nicht als Beschäftigter, sondern als selbständiger Unternehmer verunfallt. Die BG leitete den Vorgang daraufhin an die für das vom Kläger angemeldete Gewerbe zuständige BG weiter. Diese entschied mit bindendem Bescheid, dass ein versicherter Unfall nicht vorliege, weil der Kläger als Selbständiger nicht unfallversichert gewesen sei, denn er habe sich nicht freiwillig versichert.
Jahre später beantragte der Kläger nunmehr anwaltlich vertreten die Überprüfung der damaligen Entscheidung mit der Begründung, dass er Scheinselbständiger gewesen sei.
Zum Klageverfahren hat das Gericht die ursprünglich angegangene BG beigeladen und nach Beweisaufnahme verurteilt. Die Befragung des Klägers und eines der damaligen Geschäftsführer des Betriebes ergab zur Überzeugung des Gerichts, dass nach den üblichen Kriterien von einer abhängigen Beschäftigung und nicht von einer selbständigen Tätigkeit des Klägers zum Unfallzeitpunkt auszugehen ist. Zu diesem Ergebnis kam auch die beklagte BG, die daraufhin ihren Bescheid zurücknahm. So war sein Beschäftigungsbetrieb sein einziger Auftraggeber. Er hatte für seine eigene Firma keine Anschaffungen gemacht und arbeitete ausschließlich mit Material und Geräten, die vom Betrieb gestellt wurden. Er machte keine Werbung für seine eigene Firma. Er durfte die Arbeit nicht delegieren. Er bekam jeden Samstagmorgen Anweisungen vom Chef.
Für die Bewertung der Tätigkeit des Klägers zum Unfallzeitpunkt als abhängig beschäftigte sprachen auch die vom Bundessozialgericht entwickelten Grundsätze des einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses. Danach liegt ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis vor, wenn unterschiedliche Tätigkeiten für denselben Arbeitgeber ausgeübt werden, die andere Tätigkeit nur aufgrund der abhängigen Beschäftigung ausgeübt wird, in diese zeitlich, organisatorisch und inhaltlich eingebunden ist, im Verhältnis zur Beschäftigung nebensächlich ist und deshalb insgesamt als Teil der abhängigen Beschäftigung erscheint. Auch insoweit ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nur mit den Reinigungsarbeiten am Samstag beauftragt wurde, weil er im Betrieb abhängig beschäftigt war, und dass die Tätigkeit im Verhältnis nebensächlich sowie zeitlich, örtlich und organisatorisch in die abhängige Beschäftigung eingebunden war.
Die beigeladene BG konnte sich dem nicht anschließen und wurde antragsgemäß verurteilt.
(Urteil vom 27.11.2024 - S 1 U 224/23 (nicht rechtskräftig)