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Zum Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nach Vollzugslockerungsmaßnahmen (ambulant betreutes Wohnen) bei formaler Fortdauer eines gerichtlich angeordneten Maßregelvollzugs

Datum: 16.04.2020

Kurzbeschreibung:    

Der Kläger begehrt die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Er war zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Anschließend erfolgte ein Maßregelvollzug gem. § 62 Strafgesetzbuch im Zentrum für Psychiatrie, sodann im Rahmen einer sog. „extramuralen Belastungserprobung“ eine medizinische Rehabilitation im Lebenszentrum E. Zum 1.3.2018 bezog der Kläger ein Zimmer in einer vom Lebenszentrum E. angemieteten Wohnung („ambulant betreutes Wohnen“). Seinen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II lehnte der Beklagte mit der Begründung ab, dass er aufgrund der Fortdauer des Maßregelvollzugs vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen sei.

Die Klage vor der 15. Kammer des Sozialgerichts Karlsruhe hatte Erfolg:

Zwar erhalte keine Leistungen nach dem SGB II, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht sei, wobei diesem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt sei (§ 7 Abs. 4 SGB II). Von einer Unterbringung in einer stationären Einrichtung sei jedoch nur auszugehen, wenn der Träger der Einrichtung nach Maßgabe seines Konzeptes die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung und die Integration des Hilfebedürftigen übernehme. Dies sei vorliegend trotz noch nicht erfolgter formeller Entlassung aus dem Maßregelvollzug nicht mehr der Fall. Der Kläger sei mietvertraglich verpflichtet, seine Unterkunft zu bezahlen und habe auch selbst für Verpflegung und Hygiene zu sorgen. Seinen Lebensunterhalt müsse er eigenständig sicherstellen. Betreuungsleistungen durch das Lebenszentrum E. erfolgten nur noch in sehr reduziertem Umfang (Einzelgespräch etwa alle zwei Wochen, Krisenintervention, Angehörigengespräche, sonstige Unterstützung bei Kontakten mit Arbeitgebern und Sozialleistungsträgern nur bei Bedarf). Mit dem Umzug in die betreute Wohngemeinschaft sei die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung daher auf den Kläger übergegangen. Halte sich der Kläger nicht mehr in einer Einrichtung i.S.d. § 7 Abs. 4 SGB II auf, sei auch sein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II nicht ausgeschlossen.

Urteil vom 21.11.2019 - S 15 AS 1464/18 - rechtskräftig
 

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